Heilpflanze Quitte, Quitten der Quittensorte Cydora Robusta hängen am Ast am Quittenbaum

Kerngesunde Quitte

Auszug aus dem Fachmagazin "Obstbau", Ausgabe 10/2022, von Dr. Helga Buchter-Weisbrodt

 

Comeback als Heilpflanze

Albertus Magnus schrieb 1256 in „De vegetabilis", dass die Quitte zwar bekannt sei, nicht aber ihre Trefflichkeit. Das hat sich über die Jahrhunderte geändert und sie galt bis weit über das Mittelalter hinaus als unschätzbar wertvolle Heilpflanze. Die heute junge Generation kennt aber kaum noch die Frucht und erst recht nicht ihre überragenden Eigenschaften. Dies zu ändern und sie als Superfrucht zu etablieren, könnte ihr neuen Auftrieb geben.

In den letzten zehn Jahren gab es weltweit geradezu eine Inflation an Literaturstudien und Forschungsarbeiten über die medizinisch, kosmetisch und ernährungsphysiologisch wirksamen Inhaltsstoffe der Quitte. Der Anbau zieht aber (noch) nicht mit. Selbst in China, dem Land, das bei fast allen Obst- und Gemüsearten unglaubliche Zuwachsraten bis zu Verzehnfachungen innerhalb von 20 Jahren verwirklicht, ist die Quittenproduktion in den letzten 15 Jahren „nur" um ein Drittel gestiegen. 2006 erzeugte China 82.000 t, 2021 waren es 125.000 t. Hauptanbauland ist die Türkei mit rund 190.000 t. Hier machen Quitten 4 % des gesamten Kernobstanbaus aus. Überhaupt ist das ursprüngliche Herkunftsgebiet der Quitte, der Kaukasus, der sich auf Armenien, Georgien, Aserbaidschan und Teile von Iran, Russland und der Türkei erstreckt, auch heute noch die wichtigste Anbau- und Konsumregion: fast zwei Drittel der Weltproduktion stammen von hier. Die meisten Quittenbäume jedoch produziert Frankreich – allerdings als Unterlagen für Birnen.

 

Anbau- und Absatzchancen

AQuittenbäume zählen in jedem Fall zu den Gewinnern des Klimawandels. Trockene Hitze behagt ihnen durchaus. Besonders in feuchteren Regionen haben sie aber mit Krankheiten wie Blattbräune, Blüten- und Blattmonilia zu kämpfen. Wicklerarten und Apfelblütenstecher können ebenfalls deutliche Ertragsausfälle verursachen. Tritt Feuerbrand auf, ist starker Befall vorprogrammiert, deshalb wird in wichtigen Anbauregionen intensiv dazu geforscht. In Bulgarien etwa sind Hermes und Triumph bedeutende Anbausorten, da sie eine hohe Feldresistenz gegen Feuerbrand haben.

Der Phytopathologe Walter Kotte publizierte 1941 in „Krankheiten und Schädlinge im Obstbau und ihre Bekämpfung": „Leider ist die Quitte die einzige Obstart, die es uns mit der Spritzarbeit etwas leichter macht."). Das galt auch noch 1988, als das Fachbuch „Nüsse und Quitten" von Gerhard Friedrich und Werner Schuricht erschien: „Krankheiten und Schädlinge treten an Quitten nur selten auf. Die Schäden übersteigen bei Befall in ihrer Intensität meist nicht die ökonomische Schadschwelle." Zu einem ganz anderen Schluss kam Friedrich Höhne nach Quittenanbauversuchen in Gülzow 2016: „Nur so nebenbei Quitten anzubauen, wie in den ersten Jahren in Gülzow praktiziert, ist wenig erfolgversprechend. Ohne Maßnahmen zur Gesunderhaltung der Blätter und Früchte sind bei einigen Sorten nur geringe Erträge in schlechter Qualität zu erwarten." Das sah auch schon William Witler Meech so, denn er eröffnete sein 1888 in Bedford/USA erschienenes Buch „Quince Culture" mit dem Satz: „Der Quittenanbau ist eine Kunst und eine Wissenschaft".

Dass Quitten in Deutschland im öffentlichen Bewusstsein wie auch im Anbau immer mehr an Boden verloren, belegen die Titel der in diesem Jahrtausend erschienene Veröffentlichungen, so das 2000 erschienene Standardwerk „Die Quitte, eine fast vergessene Obstart" mit 100 Seiten detaillierter Fachinformation und 280 bildfreien Rezeptseiten von Monika Schirmer. 16 Jahre später titelte Friedrich Höhne seine Versuchsergebnisse zum Quittenanbau ähnlich: „Quitten – eine fast vergessene Obstart." Und auch 2020 hieß das Quittenbuch von Lucas Rosenblatt hoffnungsvoll „Das Goldene Buch der Quitte – das Comeback einer vergessenen Frucht". Garten- und Haushaltsmagazine, Zeitungen, Fernsehbeiträge, Blogs und Podcasts huldigen zwar jeden Herbst der Quitte und beginnen die Texte Jahr für Jahr unverändert fast durchweg in diesem Sinn: „Die Quitte ist eine in Deutschland immer mehr in Richtung Unbekanntheit driftende Obstart."

Aber trotz oder wegen dieses Mantras steigt ihr Bekanntheitsgrad tatsächlich nicht und es ist fraglich, ob sich das nochmals ändert. Im Weg steht die Tatsache, dass Quitten kaum roh verzehrt werden und viele die teils mühselige Zubereitung scheuen bzw. heute schlicht nichts mehr mit ihr anzufangen wissen. Zudem ist die Quitte eine ausgesprochene Saisonfrucht, da sich die meisten Sorten kaum zwei Monate lagern lassen, die mögliche Konsum- und damit Verkaufszeit somit nur ein Viertel Jahr beträgt. Für eine wieder ansteigende Bedeutung und damit gewisse Absatzchancen spricht vielleicht, dass im deutschsprachigen Raum die Anzahl Menschen aus vom Quittenanbau geprägten Ländern steigt. Es sei denn, es gelänge, die Quitte medienwirksam als Superfrucht zu präsentieren – was sie tatsächlich ist. Es gibt jedoch keine Organisation, die wie etwa Zespri für die zunächst völlig unbekannte Kiwi so effizient werben könnte, dass die Quitte sich gleichfalls zu einer marktbedeutenden Obstart entwickelt.

Wir sind also nicht weiter als der französische Lexikograf Pierre Jean-Baptiste Legrand d'Aussy, der 1800 bedauerte: „Die Quitte, welche man heutzutage wenig achtet, war (…) eine sehr geschätzte Frucht." Oder auch der Obstwissenschaftler Luther Burbank, der sich vor 110 Jahren in den USA mit dem Potenzial der Quitte für den Erwerbsanbau befasste und zum Schluss kam: „Die Quitte von heute ist ein halb wildes Produkt, das lange auf seine Chance gewartet hat. Es bleibt für die Obstbauern von morgen zu erkennen, dass die Möglichkeiten dieser einzigartigen Frucht realisiert sind." Seine Einschätzung beruhte dabei auf der Tatsache, dass er selbst etliche neue Sorten gezüchtet hat, darunter Van Deman und Pineapple.

 

Geschätzte Heilpflanze

Plinius setzt im 1. Jh. gleich gegen 21 Leiden Quitten ein, die seiner Meinung nach so Wunderbares bewirken wie Glatzen neu zu behaaren oder Brüste voller werden zu lassen, aber auch Wadenkrämpfe, Hämorrhoiden und Wassersucht lindern. Weitere antike Heilkundige erwähnen ebenfalls mehrere Indikationen, darunter Hippokrates gegen Magenleiden, Galenus gegen Erkältungen, Verstopfung Sodbrennen und Mundgeruch sowie Dioskurides gegen Atemnot, Darmleiden, Augenentzündung und Leberschwäche.

Nach der Jahrtausendwende kommen weitere Anwendungen hinzu, bisherige werden bestätigt. So ist im 11. Jh. Seth aus Byzanz überzeugt, dass Quitten nicht nur Leber und Magen stärken, sondern auch den Kater nach reichlich Weingenuss mindern, wenn sie zusammen mit dem Wein gegessen werden. Auch Schwangere profitieren vom Quittenfleisch: sie bringen dann schöne Babys zur Welt. Hildegard von Bingen, Zeitgenössin des Arztes Seth, empfahl Quitten gegen Gicht, Geschwüre und starken Speichelfluss. Wie sehr sie diese von Karl dem Großen 812 zum Anbau angeordneten Obstart schätzte, belegt ihr Rat, Kranke sollen Quitten essen um wieder zu Kräften zu kommen und Gesunde sollen sie essen um nicht zu erkranken. Ähnliches schrieb Hieronymus Bock 1539 in seinem „New Kreuterbuch" und bezeichnete Quitten als „speisz und artznei bei armen und reichen". Sein Zeitgenosse Pietro Andrea Mattioli riet „denen so einen kurtzen Athem haben" Quitten zu essen.

 

Potenzial zur Superfrucht

Laut WHO gibt es über 21.000 Pflanzenarten mit medizinischem Nutzen. Die Quitte ist davon eine mit sehr großem Potenzial. Das erklärt die Inflation an neuen Veröffentlichungen in internationalen wissenschaftlichen Magazinen über ihre Inhaltsstoffe und deren Wirkungen. Was sie zudem von anderen Obstarten hervorhebt ist die Tatsache, dass sich jeder Pflanzenbestandteil nutzen lässt: neben dem Fruchtfleisch auch Samen, Flaum, Blätter, Blüten und das rötliche Holz. Den Nachteil, dass die Frucht kaum frisch zu genießen ist, macht sie mit ihrem intensiven Duft wett. Ihm wollten schon die Justus Liebig Annalen der Chemie 1842 auf den Grund gehen mit dem Fachbeitrag „Die Ursache des Geruchs der Quitten." Man vermutete einen Oenanth-Säureäther als Urheber. Heute sind über 160 flüchtige Verbindungen identifiziert. Als besonders prägend für das Quittenaroma gilt α-Farnesen, ferner die Carbonsäureester Octansäureethylester, Hexansäureethylester, Essigsäurehexylester und Essigsäurehex-3-enylester.

 

Heilwirkungen in Stichworten

Wenn man, wie 2021 von iranischen Wissenschaftlern durchgeführt, die medizinischen Wirkungen der Quitte aus 52 aktuellen Studien zusammenfasst, ergibt sich eine beachtliche Liste (hier nicht differenziert nach Fleisch, Blatt und Samen): Quitten

  • stärken das Immunsystem
  • verbessern die Darmflora
  • fördern die Verdauung
  • beugen Tumoren vor
  • senken das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall
  • regulieren den Blutdruck
  • stabilisieren den Blutzuckerspiegel
  • unterstützen das Abnehmen
  • entschlacken und entgiften
  • lindern Hautwunden und Sonnenbrand
  • wirken Hautfalten und rissiger Haut entgegen
  • steigern die Bildung roter Blutkörperchen
  • verbessern die Durchblutung
  • hemmen pathogene Keime
  • lindern Halsweh und Zahnfleischentzündungen
  • helfen bei Asthma und Bronchitis
  • dämpfen allergische Reaktionen
  • entkrampfen und entspannen
  • beugen Kopfweh vor
  • unterstützen die Denkfähigkeit

Quitten-Literarisches

Noch bis zu den Weltkriegen waren Quitten alte Bekannte im Haushalt. Als „Schmeckbirnen" standen sie im Kleiderschrank oder in der guten Stube, um ihren Wohlgeruch zu verbreiten. Sie waren so vertraut, dass Wilhelm Busch in seinem bebilderten Bändchen „Naturgeschichtliches Alphabet" von 1900 für Q schrieb: „Das Quarz sitzt tief im Berges-Schacht, Die Quitte stiehlt man bei der Nacht."

Für den 1958 geborenen Publizist Max Goldt waren Quitten auch noch keine Fremden. Er versuchte sich als Titanic-Kolumnist in seinem 1993 erschienenen Kulturtagebuch „Quitten für die Menschen zwischen Emden und Zittau" in dem eigens von ihm kreierten Genre des Quittenwitzes. Monika Schirmer nannte dann aber ihr 2000 veröffentlichtes Fach- und Kochbuch „Die Quitte – eine fast vergessene Obstart" und sah die Frucht nicht mehr als jedem geläufigen Allgemeingut an. In ihrem Fahrwasser machte sich das Attribut „fast vergessen" in beinahe jeder Überschrift breit. 2020 steckte Claudia König sich zum Ziel, den „aromatischen Außenseiter" bei den Kleinsten wieder ins Blickfeld zu rücken und so das Vergessen aufzuhalten. Sie veröffentlichte das Bilderbuch „Frau Quitte und der Apfelwicht" für Kinder ab 4 Jahren.

Auch ein literarisches Schwergewicht räumte der Quitte in Form des Quittenzaubers Raum ein: In der 1613 veröffentlichten Novelle „Der gläserne Lizenziat" von Miguel de Cervantes. Die Quitte galt seinerzeit als Liebesfrucht und die in der Region Toledo gewachsenen Früchte standen im Ruf, besonders köstlich zu sein. Also versuchte die Protagonisten den von ihr begehrten Studenten Tomas in sie verliebt zu machen, indem sie ihm eine mit einem Liebestrank getränkte toledanische Quitte reichte. Die Frucht schärfte jedoch seinen Verstand, so dass er zum vielgefragten Ratgeber wurde. Der enthaltene Liebestrank verwirrte zugleich seinen Geist, er wähnte fortan aus Glas zu sein und war so oder so für die Protagonistin verloren.

Dichter nicht lange nach Cervantes, etwa der 1680 in Hamburg geborene Barthold Heinrich Brockes, waren gleichfalls Quittenbegeisterte und reimten: „auch die rauen Quitten hegen/ zum Vergnügen unsrer Brust,/ wenn wir ihr Gewächs erwägen/ Nahrung, Kühlung, Nutz und Lust." 67 Jahre später dann Friedrich Rückert: „Doch die edle Frucht der Quitten (…) keinem Kranken schadet sie."

 

Zeitschrift "OBSTBAU"

Der vollständige Artikel ist im OBSTBAU Das Fachmagazin für den Obstbauprofi in der Ausgabe 10/2022 erschienen. Hier geht's zum spannenden Artikel: Comeback als Heilpflanze: kerngesunde Quitte

 

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